Auf die Zukunft hin ausgerichtet

Der Glaube an die Auferstehung ist nach wie vor der Grund für die christliche Hoffnung gegen den Trend

Die Zukunft im Blick: Demonstranten der Bewegung „Fridays for Future“. Foto: epd

Das Christentum begründet seinen Erfolg, der es in wenigen Jahrzehnten zur beherrschenden Religion der Antike gemacht hat, auf eine innere Dynamik, die auf das Geschehen der Auferstehung Jesu Christi von den Toten aufbaut. Der Auferstehungsglaube ist eine radikale Ausrichtung auf die Zukunft und trifft dabei eine offene Flanke des Menschen, denn menschliches Leben ist immer auf Zukunft hin ausgerichtet. Die Zukunft mag zwar unbekannt und unberechenbar sein, aber sie ist durch menschliches Handeln gestaltbar. Der Mensch ist dazu aufgerufen, etwas, das er nicht kennt, mittels seiner Geschicklichkeit, seiner Ausdauer, seiner Kreativität und seiner Intelligenz zusammen mit anderen zu gestalten. Man kann mit dem Philosophen Ernst Bloch sagen, dass der Weltoffenheit des Menschen so etwas wie eine Menschenoffenheit der Welt gegenübersteht. Das heute möglich Erscheinende kann morgen durch das Handeln der Menschen wirklich werden.

An diesem Punkt stellt sich jedoch die Frage, ob dieses Ausgerichtet-Sein des Menschen auf Zukunft hin und seine Fähigkeit, das Mögliche wirklich werden zu lassen, nicht genau das bewirkt, was gegenwärtig als das große Problem der Welt erscheint? Der Mensch schickt sich an, aufgrund seiner Fähigkeit, Neues zu erforschen und umzusetzen, die Erde zu ruinieren und sich gerade dadurch die Zukunft zu verbauen. Auch scheint diese einseitig positive Sicht auf den Menschen zu übersehen, dass die gegenwärtige Welt in einem Zustand ist, der vielen Menschen keinen hoffnungsvollen Blick nach vorne erlaubt.

Weil der Mensch aber auf Zukunft hin lebt, besteht sein innerer Antrieb in der Hoffnung, alles möge sich zum Guten wenden – unabhängig davon, ob eine unerträgliche Gegenwart nach einer besseren Zukunft schreit, oder ob die Gegenwart Angst vor einer Zukunft macht, in der alles nur schlechter werden kann. Der Mensch ist auf die Zukunft ausgerichtet, und sein Medium, sich der Zukunft gedanklich zu bemächtigen, ist die Hoffnung.

Vor diesem Hintergrund erscheint die christliche Hoffnung als ein Sonderfall, da Hoffnung hier eine inhaltliche Füllung erfährt. Deutlich wird dies im Römerbrief des Paulus. Dort ist im 8. Kapitel von den Leiden in der Gegenwart die Rede, die gegenüber der Herrlichkeit, „die an uns offenbar werden soll“, nicht ins Gewicht fallen, und es wird von der Knechtschaft der Vergänglichkeit geredet, die von der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes abgelöst werden wird. „Wir sind gerettet auf Hoffnung hin“, schreibt Paulus.

Die Hoffnung des Paulus drückte sich anders aus als die vielen privaten, aber auch politischen und wirtschaftlichen Hoffnungen der Menschen heute. Paulus hoffte darauf, dass der auferstandene Christus noch zu seinen Lebzeiten auf die Erde zurückkommt, um alles neu zu machen – einen neuen Himmel und eine neue Erde. So erklärt sich, dass er die Hoffnung auf Erlösung auch auf die Schöpfung ausdehnt. Diese Welt und mit ihr auch die Vergänglichkeit wird ein Ende haben. An vielen Stellen in den Paulusbriefen kann man diesen Gedanken verfolgen, und auch sein Bekenntnis zur Auferstehung in 1. Korinther 15 ist von dieser Haltung geprägt.

Paulus lebte so stark in der Naherwartung der Wiederkunft Christi, dass er dieser Hoffnung sein ganzes Leben unterordnete. Sämtliche Leiden, die ihn auf seinen Reisen verfolgten, sei es Krankheit oder ein Gefängnisaufenthalt, konnten ihn nicht zur Resignation und zum Aufgeben bringen, denn er wurde getrieben von dem sicheren Wissen, dass die Zukunft Gottes förmlich über ihn hereinbrechen wird. Zuvor wollte er noch möglichst viele Menschen zum Glauben an Jesus Christus und diese Zukunft bewegen. Das Wissen um die Zukunft Gottes war der innere Antrieb des Paulus zur Mission.

Im Blick auf die Zukunft stellen sich heute neue Herausforderungen. Die Zukunft ist zwar ein vieldiskutiertes Thema; aber sie ist nichts, worauf sich die Menschen freuen. Sie wird meist als Szenarium von Bedrohungen vorgestellt, die abgewehrt werden müssen, wenn die Menschheit noch eine Chance haben soll. Der Klimawandel droht das Leben in weiten Teilen der Erde zu erschweren, religiöser Fanatismus führt zu Bürgerkriegen und Flüchtlingswellen und verstärkt in Europa die Terrorgefahr, und die neuerliche Neigung, populistische oder gar rechtsextreme Parteien zu wählen, lässt das Vertrauen in die Stabilität der westlichen Demokratien sinken. Kann angesichts solcher Zustände Hoffnung etwas anderes bedeuten als Hoffnung darauf, dass es schon nicht so schlimm kommen wird?

Angesichts dieser Zukunftsangst kann die christliche Hoffnung einen Ausweg aus der Hoffnungslosigkeit zeigen. Der Inhalt der christlichen Hoffnung ist vom Christusgeschehen, also von Kreuz und Auferstehung her, zu bestimmen. Es geht um die Folgen, die sich aus diesem Christusgeschehen ergeben und unser Leben bestimmen. Durch die Auferstehung ist ein Prozess in Gang gesetzt worden, der noch nicht abgeschlossen ist: biblisch gesprochen ist es die Herrschaft Christi.

Da die Herrschaft Christi mit der Auferstehung angebrochen, aber eben noch nicht vollendet ist, ist auch die Wirklichkeit des Reiches Gottes zwar angebrochen, aber noch nicht vollendet. Dieses Reich der biblischen Verheißung von Frieden und Gerechtigkeit ist zwar im Glauben gegenwärtig, und mit jeder Taufe werden Menschen neu unter die Herrschaft dieses Gottesreiches gestellt, aber dieses Reich ist immer noch im Aufbau; es ist in einem Prozess begriffen, der erst mit der Wiederkunft Christi abgeschlossen sein wird.

Der Irrtum des Paulus bestand darin zu meinen, diese Wiederkunft geschehe in naher Zukunft als Ende der jetzigen Erdenzeit und sie beende Leiden, Schmerzen und Krankheiten, bedeute sogar das Ende des Todes. Aus diesem Glauben folgte im Laufe der Jahrhunderte das, was man Vertröstung auf das Jenseits nennt. Das ist jedoch eine Umdeutung der christlichen Hoffnung.

Christliche Hoffnung hat gegenüber Vertröstungen auf das Jenseits von dem auszugehen, was im Christusgeschehen selbst angedeutet ist. Vom Kreuz her wird zunächst die Gottverlassenheit aller Dinge sichtbar. Gott greift nicht ein, um die Welt zu verändern. Gott hält die Menschen auch nicht davon ab, sich gegenseitig Leid und Unrecht zuzufügen. Diese Gottverlassenheit wird am Kreuz überdeutlich, wenn Gott sogar seinem eigenen Sohn nicht helfen kann und dieser in seinem Ruf „Mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ die eigene Gottverlassenheit erkennen muss. Die Auferstehung und Erhöhung des Gekreuzigten sorgt dann aber für einen Umschwung innerhalb des Christusgeschehens und bietet überhaupt erst die Grundlage für eine Hoffnung, die über die innerweltliche Hoffnung, die am Kreuz endet, hinausgeht.

Diese Hoffnung auf das Reich Gottes führt in das Leiden an der Unerlöstheit und Verlassenheit der Welt. Hoffnung auf das Reich Gottes führt in die Solidarität des Ausharrens mit der ganzen Schöpfung, die am Ende frei werden wird von der Knechtschaft der Vergänglichkeit und zu der „herrlichen Freiheit der Kinder Gottes“ geführt wird. Es ist sozusagen eine Hoffnung gegen den Trend, die sich aber auf das Wissen gründet, dass auch die Geschicke der Welt immer wieder ganz unvorhergesehene Wendungen nehmen. Und es ist schließlich auch die Hoffnung, dass man mit dem eigenen Leben, der eigenen Person, Teil dieser Freiheit der Kinder Gottes werden wird, wie immer man sich diese am Ende vorzustellen hat.

Christliche Hoffnung, die von der Dynamik des Auferstehungsgeschehens geleitet wird, führt dazu, dass auch angesichts der schlimmsten Zustände in der Welt immer noch die Verheißung da ist, dass es am Ende zu einer Versöhnung kommt und Zukunft möglich und wirklich ist – auch und gerade über den Tod hinaus. Martin Schuck

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