An einem Morgen im April 1945

Dietrich Bonhoeffer wird 29 Tage vor Kriegsende erhängt – Der abenteuerliche Weg ins KZ Flossenbürg

KZ-Gedenkstätte Flossenbürg: Hier wurde Dietrich Bonhoeffer am 9. April 1945 im Morgengrauen erhängt. Foto: epd

Dietrich Bonhoeffer im Hof des Wehrmachtsgefängnisses von Berlin-Tegel 1944. Foto: epd

Vor 75 Jahren starb Dietrich Bonhoeffer, Theologe und NS-Widerstandskämpfer. Am 9. April 1945, vier Wochen vor Kriegsende, wurde er im Konzentrationslager Flossenbürg hingerichtet. Die Erinnerung an ihn bleibt, auch dort, wo er seine letzten Stunden verbrachte.

Die Alliierten kamen immer näher. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis sie das Konzentrationslager Buchenwald erreichen würden. Dort saßen seit Februar 1945 auch gut 50 Sonderhäftlinge ein, prominente Gefangene, denen nach dem Endsieg der Prozess gemacht werden sollte. Doch der Krieg war verloren und das NS-Regime nun fieberhaft damit beschäftigt, Spuren und Menschen zu beseitigen.

Zu diesen Sonderhäftlingen gehörte auch der evangelische Pastor Dietrich Bonhoeffer (1906 bis 1945). Von Beginn an hatte er sich unbeugsam gezeigt, war den Verführern der Hitler-Bewegung nicht auf den Leim gegangen wie manch anderer Christ. Als alle noch jubelten, erhob er mahnend die Stimme, ergriff mutig Partei für die Juden, lange bevor sie in den Vernichtungslagern vergast wurden.

Das hatte ihn schon früh verdächtig gemacht. Bonhoeffer stand unter Beobachtung und ging 1933 zunächst ins Ausland, als Pfarrer der deutschen evangelischen Gemeinde in London- Sydenham. Dort schloss er Freundschaft mit dem englischen Lordbischof George Bell; eine Verbindung, die lebenslang halten sollte und ein wichtiger Bestandteil seiner weitreichenden internationalen Beziehungen wurde.

Doch Bonhoeffer war auch Patriot, wollte die Menschen in seinem Heimatland in dieser Situation nicht alleine lassen. Deswegen folgte er 1935 dem Ruf der Bekennenden Kirche und übernahm die Leitung des Predigerseminars in Zingst und Finkenwalde. 1939 reiste er zu einer Vortragsreihe in die USA und schlug auch dort die Möglichkeit aus, zu bleiben – obwohl die Nazis längst das Seminar in Deutschland dichtgemacht hatten.

Stattdessen wurde aus dem Theologen Bonhoeffer nun ein politischer Widerständler. Nach dem endgültigen Rede- und Schreibverbot 1940/41 schloss er sich den Kreisen um Admiral Wilhelm Canaris an. Canaris war Chef der militärischen Abwehr, doch hinter den Kulissen längst einer der führenden Köpfe der NS-Opposition. Dietrich Bonhoeffer trat 1940 offiziell in dessen Dienste und knüpfte als Reiseagent internationale Kontakte. Zum Schein agierte er dabei für das Regime, in Wahrheit wollte er den deutschen Widerstand im Ausland bekannt machen.

Ein riskantes Doppelleben, das 1943 zu einem jähen Ende kam. Am 5. April stand die Gestapo vor der Tür, Bonhoeffer wurde genau wie sein Schwager Hans von Dohnany wegen „Wehrkraftzersetzung“ festgenommen. Nur wenige Wochen vorher hatte er sich mit der 18-jährigen Maria von Wedemayer verlobt, die Briefe an sie aus dem Gefängnis sollten Teil seines bewegenden Nachlasses werden. Inhaftiert wurde Dietrich Bonhoeffer zunächst im Militärgefängnis Berlin-Tegel, unter Bedingungen, die als gemäßigt bezeichnet werden können. Eine direkte Beteiligung am Widerstand war ihm nicht nachzuweisen, ein Prozess vor dem Volksgerichtshof blieb ihm vorläufig erspart.

Als Häftling des Führers in Gestapo-Haft

Doch das Blatt wendete sich mit dem Hitler-Attentat am 20. Juli 1944. Im Herbst desselben Jahrs war Bonhoeffers Name im Tagebuch des zwischenzeitlich ebenfalls verhafteten Admirals Canaris gefunden worden. Am 8. Oktober wurde er ins Gestapo-Gefängnis in der Prinz-Albrecht-Straße in Berlin überstellt, wo auch Canaris einsaß. Als persönliche Häftlinge des Führers wurden sie dort verwahrt, derweil die Russen immer näher rückten.

Am 7. Februar 1945 erfolgte die Verlegung in das Konzentrationslager Buchenwald. Bis auch dort die Front gefährlich nahe kam und ein abermaliger Ortswechsel anzeigt war: Am 3. April wurde Dietrich Bonhoeffer mit anderen zusammen in das bayerische KZ Flossenbürg transportiert – und kam zunächst nicht an. Der Konvoi fuhr nach Regensburg und schließlich in das zum Gefängnis umfunktionierte Schulhaus in Schönberg im Bayerischen Wald. „Ein Versehen und ein Ergebnis der Wirren der letzten Kriegstage“, vermutet Historiker Julius Scharnetzky von der Gedenkstätte in Flossenbürg.

Die Verzögerung konnte Bonhoeffer nicht mehr retten, auch wenn die Dorfbewohner die Gefangenen mit Essen versorgten und der Theologe noch einmal einen Gottesdienst für seine Mithäftlinge halten durfte. Derweil suchte man ihn in Flossenbürg, wo ein Standgericht wartete, bereits fieberhaft. Am 8. April trafen die Gefangenen dort ein, noch am selben Tag wurde ihnen der Prozess gemacht.

Am Morgen des 9. April 1945 endete das Leben Dietrich Bonhoeffers, 29 Tage vor Kriegsende und zwei Monate nach seinem 39. Geburtstag. Kurz vor sechs Uhr sprach er sein letztes Gebet, danach wurde er erhängt. Mit ihm starb dort auch Admiral Wilhelm Canaris und etwas weiter südlich, fast zeitgleich, der Widerstandskämpfer Georg Elser. Auch dem hätte eigentlich nach einem Endsieg der Prozess gemacht werden sollen, am 9. April gegen 23 Uhr beendete man im KZ Dachau per Genickschuss sein Leben.

Kurze Zeit später wurde eine andere Gruppe von Sonderhäftlingen nach Südtirol gebracht. 141 Gefangene aus 17 Nationen sollten als Geiseln bei Waffenstillstandsverhandlungen der SS dienen. Das Vorhaben scheiterte, doch diesmal ging es gut aus für die Betroffenen: Anfang Mai wurden sie am Pragser Wildsee im Hochpustertal von der Wehrmacht befreit und schließlich den Amerikanern übergeben. Unter ihnen der ehemalige österreichische Kanzler Kurt von Schuschnigg, der evangelische Theologe Martin Niemöller und der Großindustrielle Fritz Thyssen.

Die Asche von Dietrich Bonhoeffer wurde verstreut. Ein Grab gibt es nicht, wohl aber viele Gedenktafeln und Gedenkstätten. An seinem 60. Todestag wurde auch in Flossenbürg eine Büste in der Kapelle aufgestellt. Obwohl Bonhoeffer nur eine Nacht dort verbrachte, verbinden viele das Konzentrationslager heute mit seinem Namen.

Bonhoeffer ist national wie international einer der bekanntesten und angesehensten Widerstandskämpfer der NS-Zeit. Sein Todesurteil wurde erst 1996 offiziell aufgehoben und für unrechtmäßig erklärt. Andreas Steidel

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Die KZ-Gedenkstätte Flossenbürg liegt bei Weiden nahe der ehemaligen Grenze zur Tschechoslowakei. Die Dauerausstellung ist zweigeteilt: Zum einen geht es um die Geschichte des Lagers von 1938 bis 1945, zum anderen um die Erinnerungsgeschichte und die Folgen nach Kriegsende. Die Ausstellung ist wegen des Coronavirus bis mindestens 19. April geschlossen. Weitere Informationen: Telefon 09603/903900, Internet www.gedenkstaette-flossenbuerg.de. Weitere Bonhoeffer-Gedenkstätten finden sich auf der Seite: www.bonhoeffer-initiative.com. red

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